Luther war hier
Von Annaburg bis Zerbst
Eisleben, Mansfeld und Wittenberg sind unzertrennlich mit dem Leben und Wirken Martin Luthers verbunden. In Eisleben ist Luther geboren und gestorben. In Mansfeld verbrachte er seine Kindheit. In Wittenberg wirkte er fast 38 Jahre als Bibelprofessor, Prediger und Reformator. Was aber haben Naumburg, Merseburg und Zeitz; Dessau, Zerbst und Wörlitz; Stolberg/Harz, Annaburg und Prettin mit Luther zu tun? „Luther war hier“ nimmt das 500. Reformationsjubiläum 2017 zum Anlass, um auf all diejenigen Orte in Sachsen-Anhalt aufmerksam zu machen, an denen sich Martin Luther tatsächlich aufgehalten hat, aufgehalten haben soll und mit denen sich Luther-Legenden verbinden.
Diese Internetseite bietet Ihnen Kurzinformationen, Bilder und Quellenzitate zu allen Luther-Orten in Sachsen-Anhalt. Die Kartenfunktion erleichtert die Orientierung. Über die Chronologie lassen sich die Orte von der Geburt bis zum Tode Luthers nachverfolgen und zu einander in Beziehung setzen. Auf diese Weise entsteht ein verfolgbares Band von Orten und Geschichten, das dazu einlädt, Sachsen-Anhalt als „Ursprungsland der Reformation“ zu entdecken.
„Luther war hier“ ist ein Kooperationsprojekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt.
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Mit der kleinen Feldsteinkirche in Seegrehna verbindet sich eine interessante Episode der Reformationsgeschichte. Am 24. Februar 1526 wurde hier die Taufe des zweiten Sohnes von Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, vollzogen. Auch Luther nahm als Gast an dieser Taufe teil, obwohl er sich wenige Jahre zuvor mit Karlstadt über theologische Fragen entzweit hatte und Karlstadt die Kindertaufe eigentlich abgelehnte. Der Taufstein hat sich in der Kirche erhalten.
Die Dorfkirche in Seegrehna ist ein unverputzter Feldsteinbau, dessen Ursprung bis in die Zeit der Romanik zurück reicht. Das Gebäude gliedert sich in ein rechteckiges Kirchenschiff, an das sich nach Osten ein eingezogener quadratischer Chor mit halbrunder Apis anschließt. An der Nord- und Südwand der Kirche ist noch heute je ein Rundbogenportal zu erkennen, durch die man die Kirche ursprünglich betrat. Das niedrige Portal an der Nordwand des Chores war der Zugang für die Geistlichen. Das Türblatt dieses auch „Priesterpforte“ genannten Eingangs trägt noch romanische Beschläge. Im Inneren der Kirche befindet sich ein Altar, der 1653 gestiftet wurde und eine Abendmahldarstellung zeigt. Auch die achteckige Kanzel entstand in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Die Empore und das Gestühl hingegen stammen aus den 1730er Jahren, als man die Kirche im Stil des Barock umgestaltete. In die gleiche Zeit datieren auch die drei großen Medaillons auf der Decke, die der Wittenberger Michael Adolph Siebenhaar anfertigte.
Einen besonderen Schatz der Kirche stellt der mächtige spätgotische Taufstein in der Südostecke des Kirchenschiffs dar. Er besteht aus Sandstein und gehört nach Form und Bearbeitung ins späte 15. Jahrhundert. Da es im Mittelalter üblich war, die Neugeborenen bei der Taufe vollkommen unterzutauchen, besitzt der Taufstein ein sehr großes und tiefes Becken. Mit diesem Taufstein verbindet sich eine interessante reformationsgeschichtliche Episode, denn an ihm wurde am 24. Februar 1526 die Taufe des zweiten Sohnes von Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, vollzogen. Taufpaten waren Philipp Melanchthon, Justus Jonas und Katharina von Bora, die Ehefrau Martin Luthers. Luther hat diese Taufe in einem Brief an Nikolaus von Amsdorf bezeugt, wenngleich er den Taufakt nicht selbst vollzog, sondern nur „mit anderen ein Gast“ war.
Karlstadt war 1505 an die Wittenberger Universität gekommen. 1510 promovierte er zum Doktor der Theologie und stieg wenig später zum Professor auf. In dieser Funktion wirkte er 1512 als Doktorvater Martin Luthers. Karlstadt begleitete Luther 1519 nach Leipzig, um mit Johannes Eck zu disputieren. Als sich Luther 1521/22 auf der Wartburg aufhielt, wurde Karlstadt zu einem Träger der reformatorischen Neuerungen in Wittenberg. Die unterschiedlichen Ansichten, die Luther und Karlstadt in theologischen Fragen vertraten, führten zu unüberbrückbaren Konflikten. 1523 gab Karlstadt seine Professur auf und siedelte ins thüringische Orlamünde über, wo er als Pfarrer seine Vorstellungen einer Gemeindereform in die Tat umsetzte. Karlstadt leugnete – ganz im Gegensatz zu Luther –, dass Christi Leib und Blut real in den Elementen des Abendmahls, also in Brot und Wein, gegenwärtig waren. Als es 1524 zum endgültigen Bruch mit Luther kam und Karlstadt nur als „Schwärmer“ galt, wurde er aus Kursachsen ausgewiesen und zog in seinen fränkische Heimat. Als Karlstadts Familie dort durch die Wirren des Bauernkrieges in Not geriet, fand er im Hause Luthers Aufnahme. Nach Fürsprache Luthers beim Kurfürsten durfte sich Karlstadt wieder im Kurfürstentum niederlassen, wenngleich ein schon früher ausgesprochenes Predigtverbot weiter bestehen blieb. Karlstadt wählte Seegrehna zu seinem vorübergehenden Wohnort und widmete sich dort der Landwirtschaft. Diese Ortswahl war nicht ohne Grund geschehen, denn er war seit 1522 mit Anna von Mochau, der Tochter des Rittergutsbesitzers in Seegrehna verheiratet.
Karstadt hatte die Kindertaufe eigentlich abgelehnt. Die Taufe seines Sohnes bedeutet nun eine (Wieder-)Annäherung an die lutherische Auffassung des Taufsakraments. Luther schrieb deshalb in dem besagten Brief: „Wer hätte im vorigen Jahre gedacht, daß die, welche die Taufe ein Hundsbad nannten, dieselbe jetzt selbst von ihren Feinden erbitten sollten!“
Martin Brecht: Martin Luther, Zweiter Band: Ordnung und Abgrenzung der Reformation 1521-1532. Stuttgart 2013, S. 170-172.