Luther war hier
Von Annaburg bis Zerbst
Eisleben, Mansfeld und Wittenberg sind unzertrennlich mit dem Leben und Wirken Martin Luthers verbunden. In Eisleben ist Luther geboren und gestorben. In Mansfeld verbrachte er seine Kindheit. In Wittenberg wirkte er fast 38 Jahre als Bibelprofessor, Prediger und Reformator. Was aber haben Naumburg, Merseburg und Zeitz; Dessau, Zerbst und Wörlitz; Stolberg/Harz, Annaburg und Prettin mit Luther zu tun? „Luther war hier“ nimmt das 500. Reformationsjubiläum 2017 zum Anlass, um auf all diejenigen Orte in Sachsen-Anhalt aufmerksam zu machen, an denen sich Martin Luther tatsächlich aufgehalten hat, aufgehalten haben soll und mit denen sich Luther-Legenden verbinden.
Diese Internetseite bietet Ihnen Kurzinformationen, Bilder und Quellenzitate zu allen Luther-Orten in Sachsen-Anhalt. Die Kartenfunktion erleichtert die Orientierung. Über die Chronologie lassen sich die Orte von der Geburt bis zum Tode Luthers nachverfolgen und zu einander in Beziehung setzen. Auf diese Weise entsteht ein verfolgbares Band von Orten und Geschichten, das dazu einlädt, Sachsen-Anhalt als „Ursprungsland der Reformation“ zu entdecken.
„Luther war hier“ ist ein Kooperationsprojekt des Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt und der Investitions- und Marketinggesellschaft Sachsen-Anhalt.
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Die Geschichte des Zerbster Augustinerklosters beginnt im späten 14. Jahrhundert. Im Januar 1389 erteilten die Fürsten von Anhalt den Ratsherren von Zerbst das Recht, ein Kloster zu stiften. Daraufhin gründete der Konvent der Magdeburger Augustiner-Eremiten 1390 im Westen der Stadt Zerbst eine Niederlassung ihres Ordens. Bald darauf begann man mit dem Bau des Klostergebäudes, das 1394 fertig gestellt war. Bestand hatte das Zerbster Kloster bis 1525. Grund für die von den Ordensbrüdern selbst vollzogene Auflösung war nicht zuletzt die Einführung der Reformation in Zerbst, an der Martin Luther einen großen Anteil hatte.
Das Augustinerkloster bildete gemeinsam mit den Klöstern der Franziskaner und der Zisterzienserinnen markante Punkte innerhalb der Stadt, die im späten Mittelalter zu einer Blüte gelangt war. Zerbst gehörte bis ins 17. Jahrhundert hinein zu den prosperierenden Städten des Heiligen Römischen Reiches und war zugleich die größte Stadt Anhalts. Dem wirtschaftlichen Aufschwung stand eine lebendige Frömmigkeitskultur zur Seite, die sich in der reichen Anzahl geistlicher Institutionen spiegelte. Neben den Klöstern und den drei großen Kirchen St. Bartholomäi, St. Nicolai und St. Marien gab es mehrere Hospitäler, Kapellen, Altäre und Filialen (sog. Termineien) auswärtiger Bettelorden.
Im frühen 16. Jahrhundert hatte der Klerus allerdings den Unmut der Zerbster Bevölkerung auf sich gezogen. Kirchliche Missstände und die als Belastung empfundene Bettelei der Mönche standen am Pranger. Möglicherweise verstärkte auch das Wirken des Ablasspredigers Johannes Tetzels die antiklerikale Stimmung in der Stadt. Tetzel hatte 1516 begonnen, den Ablass zum Bau des Petersdoms in Rom zu propagieren und war dabei als unverschämter und lästerlicher Prediger aufgefallen. Im Januar 1517 trat er als Generalsubkommissar in den Dienst von Erzbischof Albrecht von Magdeburg und Mainz. Da ihm der Zutritt zum Kurfürstentum Sachsen untersagt war, verlegte Tetzel seine Geschäfte im Frühjahr 1517 nach Jüterbog und Zerbst. Sein Treiben war bekanntlich Auslöser für die 95 Thesen Martin Luthers. Der Reformator wetterte noch Jahre später in seiner Schrift „Wider Hans Worst“ (1541) gegen den Missbrauch des Ablasses: „Als nun viel Volks von Wittenberg lief dem Ablaß nach gen Jüterbog und Zerbst etc. und ich […] nicht wußte, was das Ablaß wäre, wie es denn kein Mensch nicht wußte, fing ich säuberlich an zu predigen, man könnte wohl Besseres tun, das gewisser wäre, weder Ablaß lösen.“
Die Lehre Luthers fand sehr früh Eingang in das Zerbster Augustinerkloster. Ja, man wird sagen können, dass das Kloster zum eigentlichen Ausgangspunkt der Reformation in Zerbst wurde – ein Umstand, der sich so auch für das Magdeburger Augustinerkloster nachweisen lässt. Der damalige Prior des Zerbster Klosters, Peter Fabri, war schon Anfang 1522 von altgläubiger Seite der „Martinischen Ketzerei“ bezichtigt und als „Lauterbube“, also als Anhänger Luthers, bezeichnet worden.
Als es im März 1522 zu Gewalttätigkeiten gegen den Kaplan der Zerbster St. Nicolaikirche und zu Bilderstürmereien kam, befürchtete man offenbar den Ausbruch von Unruhen. Deshalb wurde Martin Luther in die Stadt gerufen, der hier am Abend des 24. Mai 1522 vor seinen Ordensbrüdern im Augustinerkloster predigte. Über diese Predigt und die weiteren drei Kanzelreden, die Luther am Folgetag mit großem Erfolg vor den Zerbster Bürgern hielt, berichtete der altgläubige Stiftsdekan von St. Bartholomäi, Petrus Kleinschmidt. Für ihn war Luthers Auftreten eine „Unglücksstunde“ für Zerbst. Luther habe, so schrieb Kleinschmidt, „reichlich viele Laien“ vergiftet.
Mit Luthers Predigten und dem Wirken der beiden von ihm zur Verkündigung des Evangeliums nach Zerbst übersandten Wittenberger Ordensbrüder beschleunigte sich der Übergang des Zerbster Augustinerklosters zur Reformation. 1525 entschloss sich der Konvent dazu, das Kloster mitsamt dem Inventar an die Stadt zu verkaufen. Den Erlös von 255 Gulden teilten die verbliebenen Mönche untereinander auf. Ein Jahr später richtete die Stadt in dem verlassenen Kloster ein Hospital ein, das allerdings im November 1556 zu großen Teilen niederbrannte, aber wieder aufgebaut wurde. Nach den Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg sind heute nur noch Fragmente des einstigen Klosters erhalten. Dazu gehören der ehemalige Speisesaal sowie der direkt darüber angeordnete einstige Schlafsaal der Mönche. Refektorium und Dormitorium, wie die Räume auch genannt werden, verfügen über je sechs Kreuzgewölbe, die von zwei Säulen getragen werden. Diese Bauteile gehören zur Senioreneinrichtung „Willy Wegener“.
Das Bistum Brandenburg (= Germania Sacra, 1. Abteilung: Die Bistümer der Kirchenprovinz Magdeburg, 3. Band, 2. Teil), Berlin 1941.
Griesbach, Agnes-Almuth / Friedrich, Heinz Jürgen: Vergiftete Laien, reformierte Bürger und die Universität in Anhalt. Reformation und Bildung in Zerbst. Ein Ausstellungsbegleiter, Zerbst 2004.
Kunzelmann, Adalbero: Geschichte der deutschen Augustiner-Eremiten. Fünfter Teil: Die sächsisch-thüringische Provinz und die sächsische Reformkongregation bis zum Untergang beider, Würzburg 1974.
Specht, Reinhold: Geschichte der Stadt Zerbst, Bd. 1, Zerbst 1998.